Detail
Ausflug in die virtuelle Realität
Im Projekt Dreamlike Neighbourhood traf sich die Nachbarschaftsgruppe von Letokruh aus Prag regelmässig an verschiedenen Orten. Die Idee dahinter war eine Vielfalt von Aktivitäten, Perspektiven und Informationen anzubieten, um die Teilnehmer*innen dazu zu ermutigen, neue Wege zugehen und sich mit neuen Dingen zu beschäftigen. Einer der Ausflüge führte sie in einen Virtual Reality-Raum.
Vladka und Katka, ihr habt gemeinsam mit den Teilnehmer*innen der Nachbarschaftsgruppe Ausflüge organisiert, wie zum Beispiel zum Thema Virtuelle Realität. Warum ist es aus eurer Sicht wichtig, dass sich ältere Menschen mit der digitalen Welt vertraut machen?
Vladka Dvořáková und Katka Karbanová: Die digitale Welt ist integraler Bestandteil der modernen Welt. Bei Letokruh versuchen wir daher, sie den älteren Freiwilligen näher zu bringen. Wir integrieren immer wieder digitale Technologie in unsere Aktivitäten, um zu zeigen, welche neuen Erfahrungen und Möglichkeiten sich dadurch eröffnen und wieviel Selbstvertrauen man dabei gewinnt. Digitale Werkzeuge werden von den Freiwilligen unterschiedlich intensiv genutzt, aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich in viele unserer Aktivitäten digitale Technologien integrieren lassen, wie etwa Treffen, Yoga oder Englischkurse, die wir während der COVID-19-Pandemie online durchgeführt haben. Erfahrungen, Einladungen oder Fotos von Aktivitäten werden über die Letokruh-WhatsApp-Gruppe verteilt. Als Teil von Dreamlike Neighbourhood war die virtuelle Realität ein Thema unserer Gruppentreffen. Unsere Teilnehmer*innen besuchten den VR-Raum und sie konnten dabei etwas erleben, was sie – angesichts ihres Alters und ihrer Möglichkeiten zu verreisen – wohl anders nicht erlebt hätten. Zum Beispiel von einem Wolkenkratzer zu springen, durch das Death Valley zu wandern, mit Delfinen zu schwimmen usw.
Was habt ihr aus den Ausflügen für eure Arbeit mit älteren Menschen mitgenommen?
Vladka Dvořáková und Katka Karbanová: In unserer täglichen Arbeit mit älteren Menschen sehen wir, dass es sehr wichtig ist, sie dabei zu unterstützen, Informationen im Internet zu finden und dabei zwischen wahr und falsch unterscheiden zu können. Die Ausflüge waren nicht einfach nur eine Möglichkeit, mit Technik in Berührung zu kommen. Sie waren vielmehr ein Ausgangspunkt für unseren Austausch über Social Media, deren Funktionsweisen, über Chancen und Risiken. Ohne soziale Medien, in unserem Fall die WhatsApp-Gruppe, würden sie Informationen, Bilder und die gemeinsamen Erlebnisse verpassen, die bei unseren Aktivitäten entstehen.
Was hat euch an den Ausflügen und Treffen am meisten überrascht?
Vladka Dvořáková und Katka Karbanová: Dass ältere Menschen Technik aufregend finden, wenn diese für sie sinnstiftend ist. Sie kommen drauf, dass Technik ihre Dienerin ist und nicht ihre Herrin – vor ausgesetzt, es gibt eine Einführung und Unterstützung. Sie sehen, dass ihnen die Technik Erfahrungen ermöglicht, die sie sonst nicht machen könnten, und dass sie diese Erfahrungen auch mit anderen teilen können. Dabei bemerken sie, dass digitale Kommunikation im Grunde sehr einfach ist. Sie können zu Role Models für andere werden und ein gutes Beispiel sein.
Jiří, du warst auch bei dem Ausflug in den VR-Raum dabei. Was war das Besondere daran?
Jiří G: Ich verwende normalerweise keine Technik. Ich habe keine Zeit dafür. Das ist etwas für die jüngere Generation. Ich habe da den Anschluss verpasst. Sogar meine Schwiegertochter sagt mir immer, dass es jetzt keinen Sinn mehr hat, einzusteigen. Trotzdem bewundere ich alle, die sich mit Technik gut auskennen. Ich bin in den VRRaum mitgekommen, weil es von Letokruh organisiert wurde. Und ich war wirklich positiv überrascht – nein, es war eigentlich eines der tollsten Erlebnisse meines Lebens! Ich habe mich getraut, 80 Meter von einem Hochhaus zu springen. Ich habe mich getraut zu springen und ich bin wirklich stolz auf mich, dass ich meine Angst überwinden konnte.
Jitka, was hast du aus den Erfahrungen mit VR und den neuen Medien für dich mitgenommen?
Jitka F: Ich würde niemals einfach so einen VR-Raum besuchen. Auch nicht mit meinen Enkel*innen. Ich kann sie fast hören: „Ach Oma, das ist doch nichts für dich!“ Letokruh hat mich sozusagen hingeschleppt und es war ein wunderbares Erlebnis und ein richtiger Adrenalinkick. Ich habe mich dabei selbst übertroffen. Ich bin auf einer schmalen Brücke über ein tiefes Tal, durch das sich ein Fluss schlängelt, gefahren. Ich würde so etwas nie im Leben machen. Ich wollte schon immer mit Delfinen im Meer schwimmen. Aus der Reise nach Dubai wurde nichts, also habe ich es hier nachgeholt.
Zum Factsheet und den anderen Texten aus
- Bremen: MobileAge Mobil-im-Alter (Ältere Menschen entwickeln Online-Anwendungen mit, um die selbstbestimmte Teilhabe am öffentlichen Leben zu verbessern)
- Ljubljana: Persönliche Stadtspaziergänge (Ältere Menschen entwickeln Stadtspaziergänge auf der Grundlage ihrer eigenen Geschichten, Interessen und ihres Wissens über Architektur und Stadtplanung)
- Hemishofen: Eine App als Forschungswerkzeug (partizipative Analyse der Gemeinde)